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Opa und Enkel  gehen zur Toilette


Es war wohl Ende der 1960er Jahre, dass mein Vater wieder zur Reha in Bad Münster am Stein war, und wir (Frieda, Heiko und ich) ihn besuchten.


Wir gingen gemeinsam in eine Gaststätte in Bahnhofsnähe. Es war recht gut besucht.


Ich war zur Toilette im Keller gegangen und hatte meinen Sohn mitgenommen, damit er auch Pipi machen konnte.


Kurz danach ging dann mein Vater zur Toilette und Heiko wollte unbedingt mitgehen; auch wenn ich ihn erinnerte, dass er doch kurz vorher mit mir gegangen war. Also, er bekam seinen Willen: Er ging mit Opa zur Toilette.


Er kam danach die Treppe rauf gestapft und rief schon von weitem, und durch die ganze Gaststätte hallend: “Mama! Mama! Ich konnte aber nochmal Pipi machen!”


Klar, dass alle Anwesenden schallend lachten.




1963 - 1966


In ein ganz besonderes Fettnäpfchen, jedenfalls nach Ansicht von Frieda sowie K., trat ich im Frühjahr 1963, als ich mich ganz gegenteilig zu meiner Würde und meinem Status als Verlobte und Bald-Ehefrau benahm:


An einem schönen Vorfrühlings-Samstag, ich war von der Arbeit wieder zu Hause, K. war noch im Dienst, war mir danach zumute, dass ich meine Rollschuhe nahm und in eine Seitenstraße  zum Rollschuhlaufen ging. Ich fand da nichts bei. Es war doch ein unschuldiges Vergnügen, oder? Aber nicht für Frieda und meinen Verlobten! Für die benahm ich mich damit voll daneben. So etwas tut man eben nicht, wenn man ... ; und “was die Leute da denken und sagen” ...


Am 03. Mai 1963, dem Geburtstag seines Vaters, heirateten wir mit Sondererlaubnis, da ich ja erst 18 war und man damals erst mit 21 volljährig wurde. Mit großem Brimborium. Und mit einer spalierstehenden BW-Staffel vor der Kirche, angeführt vom Hauptmann persönlich. Ich natürlich ausgestattet mit einer ordentlichen Aussteuer: Küche, Schlafzimmer. Die Küche natürlich mit dem Notwendigen ausgestattet, für Bettwäsche, Handtücher, Silberbesteck usw. war ja schon lange gesorgt worden.


Damit begann das größte Desaster meines Lebens. Meine Rollschuh-Exkursion hätte mir eine Warnung sein können.

Was war ich für ein Schaf! Es gab genug Anzeichen für aufziehende Probleme, aber ich wollte  sie nicht sehen!? Vielleicht bzw. sicher fehlte mir damals auch die notwendige Lebenserfahrung dafür. Frieda wollte mich ja nicht mütterlich  behüten, sondern mich verheiraten und unter die Aufsicht eines Mannes nach ihrem Geschmack bringen.


Aber gleichzeitig behielt sie mich auch unter ihrer Aufsicht. Denn: Sie bot an, dass wir mietfrei im oberen Stockwerk wohnen konnten. Eine Küche und ein Schlafzimmer wurden als Teil der Mitgift eingerichtet, ins Schlafzimmer kam auch meine Bettcouch und der Couchtisch aus meinem früheren Zimmer, das nun Küche wurde. Da K.s Sold als “Nato-Zebra” ja auch nicht gerade hoch war, nahmen wir leider dieses Angebot an. Ich drängte zwar später  darauf, in eine eigene Wohnung zu ziehen, doch daraus wurde nichts. K. wollte nicht in die BW-Siedlung ziehen, wo die Mieten bezahlbar gewesen wären, und alles andere war dann letztendlich nicht bezahlbar, vor allem bei seinen kostenspieligen Hobbies: Autos zu Schrott fahren, Saufen und Fremdgehen.


K. wohnte ja schon einige Zeit quasi mit im Haus, und entgegen den  geltenden Gesetzen duldete Frieda es stillschweigend, dass wir das Bett teilten. Und dann warf er mir eines Tages vor, dass ich nicht von ihm schwanger werden könne, da ich keine Jungfrau mehr gewesen sei als wir zum ersten Mal miteinander Geschlechtsverkehr hatten.


Da bleibt einem doch die Spucke weg! Mir damals sowieso, unaufgeklärt wie ich war! Jetzt hier beim Schreiben muss ich darüber laut lachen, wie idiotisch er doch war - als wenn ich das nicht schon lange gewusst hätte.


Wie dem auch immer sei, entgegen seiner Prophezeiung wurde ich im Juni schwanger - und es war mir schlecht, schlecht, schlecht am Morgen, fast genau 3 Monate lang. Nichts im Magen aber k..., entsetzlich! Und das jeden Tag. Mein Appetit ließ überhaupt sehr zu wünschen übrig in dieser frühen Zeit meiner Schwangerschaft. Doch da muss man eben durch in diesen anderen Umständen.


Ganz schlimm war es bei einem “Sommerurlaub” bei seinen Eltern in HH. Da wurde mir so einiges aufgebürdet.


Zum einen konnte mich seine Mutter nie in Ruhe lassen. Sie animierte mich dauernd zum Essen - aber ich wollte doch nichts, oder kaum mal etwas. Warum konnte sie das nicht einsehen, dass mir meist alleine beim Gedanken an Essen schlecht wurde? - zumindest morgens und mittags, gegen Abend ging es ja dann.


Zum zweiten bat mich mein Circa-Drei-Monats-Ehemann bei einem Spaziergang um die Scheidung. Häh?! Ich dachte, mich tritt ein Pferd. Ich willigte da - natürlich - nicht ein - leider.


Zum dritten “verschwand” mein Ehemann-wider-Willen bei einem Reeperbahn-Besuch mit einem anderen jungen Paar, das wir beim abendlichen Kneipenbesuch kennengelernt hatten, mit einer jungen langhaarigen Blondine (obwohl er doch, wie er immer sagte, Brünette bevorzugte).

Der Bekannte wollte es ihm heimzahlen und tat das absolut Falsche: Als K. wieder kam, küsste dieser Bekannte mich. So hatte ich natürlich den Schwarzen Peter. K. berichtete mein Benehmen seiner Familie, seines verschwieg er natürlich. Das Entsetzen über mich war selbstverständlich groß.

In Steinhardt hatte ich da selbstverständlich auch keinen Rückhalt, denn “als verheiratete Frau benimmt man sich nicht so, und was Männer tun und tun dürfen, ist etwas ganz anderes”.

Trotzdem fand ich diesen Abend äußerst interessant, vor allem den Besuch in einem Transsexuellen-Lokal. Wenn das Frieda gewusst hätte!


Frieda hatte mir bei meiner Hochzeit ihr recht wertvolles, mit Diamanten besetztes  Gold-Armband geschenkt, das schon lange in ihrem Besitz war. Nach einer Feier, wir waren erst spät nach Hause gekommen, zog ich es aus und legte es auf meinen Nachttisch statt es gleich in den Schrank zu packen. Am nächsten Morgen nahm sie mir das Armband wieder weg, weil ich es nicht ordnungsgemäß behandelt hatte. Genauso erging es mir auch später mit meiner Blockflöte, die sie dann an Susanne weiter gab. “Ich habe sie bezahlt, also gehört sie mir auch; und ich kann damit machen, was ich möchte”, so ihre Aussage.


K. hatte einen Job nach seinem Geschmack bei der BW. Zum einen war er oft zu Unteroffiziers-Schulungen in anderen Orten, zum anderen machte er bei seiner eigentlichen Truppe eine Ausbildung zum Fahrlehrer.


Das bedeutete: Während der Schulungen war er sowieso nicht anwesend - und keiner kontrollierte ihn. Als Fahrlehrer war er auch oft abwesend, z. B. abends für “Nachtfahrten”, wohin und zu wem sie auch immer gingen. Gute Ausreden für gerne und oft fremdgehende Ehemänner. Aber nicht oder nur sehr schlecht zu kontrollieren für betrogene Ehefrauen.


Wenn er dann nachts oftmals betrunken nach Hause kam, prügelte er mit Vorliebe auf mich ein, schwanger oder nicht. Frieda meinte dazu nur: “Wenn er dich verprügelt, wird er einen Grund dazu haben.”

Und wenn ihm schlecht wurde und er vors Bett kotzte, wischte sie es weg. “Männer sind halt so.” Die durften bei Frieda ALLES.


Im Prinzip war die Zeit, in der er wochenlang zu irgendwelchen Lehrgängen weg war, die für mich angenehmste. Wie Ferien vom grausigen Alltag. Dann sass ich oft nächtelang in meinem Schlafzimmer auf der Couch, strickte, hörte Radio. Besonders die Nachtmusik-Sendung des HR liebte ich.


Einmal im Monat trafen sich am Abend BW-Kollegen-Ehepaare, natürlich meist in Sobernheim. K. ging hin, ich musste zuhause bleiben; ich wusste auch meist gar nichts davon. Einmal fand so ein Treffen in unserer Gaststätte statt - mir verweigerte er die Teilnahme. Ich war ihm nicht schön genug, die Frisur war ihm nicht recht, meine schwangere Figur wahrscheinlich sowieso nicht. Ich sass also im Nebenzimmer vor der Glotze, und er mit seinen Kollegen und deren Frauen im Gastraum. Was er denen als Grund für mein Fehlen erzählte? - Keine Ahnung. Aber sicher gab es auch an diesem Abend Prügel.


Um Geld für seine Hobbies zu sparen, kam er eines Tages auf eine seiner Meinung nach grandiose Idee, als er erfuhr, dass  meine Verwandtschaft in der näheren und weiteren Umgebung sehr groß war: Er schlug vor, dass wir uns Sonntag für Sonntag bei einer mit mir verwandten Familie einladen sollten, dann bekämen wir jeden Sonntag ein Festessen für lau. Auf so eine Idee muss man erst mal kommen! Natürlich wurde  nichts aus der Umsetzung seines Planes.


Am Silvesterabend 1963 sorgte ich mal wieder für unliebsames Aufsehen: Wir alle (mein Vater, Frieda, mein Mann und ich) waren in die nun einzige Dorfkneipe gegangen. Es gab  Musik vom Musikautomaten, und ein junger Mann aus dem Dorf forderte mich zum Tanzen auf. Ich nahm die Aufforderung an. Warum auch nicht? Ich war ja nicht krank, sondern nur schwanger. Aber anscheinend war Tanzen für Schwangere nicht im Weltbild von Frieda und K. vorgesehen. Sie machten mir einen schrecklichen Krach.


Einige Wochen vor dem voraussichtlichen Geburtstermin fuhr Frieda mit mir nach Bad Kreuznach, um ein Kinderbettchen, einen Stubenwagen, einzukaufen. Meine Großmutter hielt das für leichtsinnig bzw. verfrüht. Denn, so ihre Meinung: Das Kind könnte ja tot zur Welt kommen oder gleich nach der Geburt sterben, und dann wäre das eine unsinnige Ausgabe gewesen. Nett, nicht? So geht positives Denken!


Anfang März 1964 brachte ich im Krankenhaus in Sobernheim meinen Sohn Heiko zur Welt. Mein Ehemann war damals in Celle zu einer Fortbildung. Er kam direkt nach Hause, musste dann aber nach ein paar Tagen wieder weg. Ich blieb, wie damals üblich, eine Woche im Krankenhaus. Natürlich stillte ich meinen Sohn; ich produzierte so viel Milch, dass ich zwei Kinder hätte stillen können.


Als ich nach Hause kam, blieb mir erst mal die Spucke weg. Ohne mir etwas zu sagen, geschweige denn zu fragen, waren meine Zimmer umgeräumt worden. Das empört mich noch heute. Mag es auch aus gutem Grund gemacht worden sein - man hätte mich fragen müssen! Jedenfalls hatten sie meine Couch vom Schlafzimmer in die Küche gebracht, da die  beheizbar war - im Gegensatz zum Schlafzimmer, und da schlief ich dann mit meinem Sohn in der Küche. Gut gemeint, aber ...


K. musste wieder zu seinem Lehrgang. Und ich muss sagen, dass er sich auch als er wieder zu Hause war, erst mal ganz friedlich benahm. Ich wusste natürlich nicht, wie er seine “Nachtfahrten” gestaltete. Später wurde mir dann so einiges zugetragen.


Finanziell war alles noch wie vorher, d. h. ich bekam äußerst wenig Haushaltsgeld, weil er am liebsten seinen Sold ganz allein für sich gehabt hätte. Also suchte ich mir einen Bürojob und fand eine Anstellung bei einem Chirurgen in einer Praxis im Krankenhaus der Diakonie in Bad Kreuznach. So konnte ich wenigstens ab und zu etwas für meinen Sohn und mich kaufen. Aber mal mit den Kolleginnen am Abend irgendwo etwas trinken, das wurde mir von Frieda nicht erlaubt.


Das war anders wenn K. zu Hause war. Er erlaubte mir, ab und zu zu Fastnachtsbällen im Kurhaus in Bad Kreuznach zu gehen. Er fuhr mich sogar hin und holte mich wieder ab. Sicher ging er in diesen Stunden, während ich meinem recht harmlosen Tanz-Vergnügen nachkam, seinem Vergnügen nach. Oh Gott, was war ich damals so naiv!

Er machte mich sogar einmal mit einer Damen-Bekanntschaft in Bad Kreuznach bekannt, deren Ehemann, so glaube ich mich zu erinnern, zur Kur war, und wir verbrachten den Abend und die Nacht zusammen. Einige Jahre später traf ich sie noch einmal.


Es kam vor, dass K., ohne mir etwas zu sagen, angeblich zu seinen Eltern nach Hamburg fuhr, nur Frieda meinte, etwas davon zu wissen. Sie gab natürlich mir die Schuld daran, dass er es mir, seiner Ehefrau, nicht gesagt hatte. Schon komisch!


Ich wechselte den Arbeitsplatz und war halbtags in einer Großhandelsfirma als Sekretärin des Geschäftsführers beschäftigt.


Es war die Zeit der Rassendiskriminierung und der Rassenunruhen in den USA. Manche meiner neuen Kollegen hatten seltsame Anschauungen dazu bzw. maßen mit zweierlei Maß. Auf der einen Seite regten sie sich fürchterlich auf über diese bösen weißen Amerikaner, die die Farbigen so schlecht behandeln und ihnen nicht die gleichen Rechte wie ihnen selbst zugestehen wollten.

Auf der anderen Seite: Ich erzählte, dass dieser nette amerikanische Offizier wieder meinen Vater besucht hatte. Und da sagte doch ein älterer Kollege: “Igitt! Ich würde doch einem Neger nie die Hand geben! Ich hätte Angst, sie wäre nicht sauber!” So viel zur Gleichheit zwischen Schwarz und Weiß.


Ich gönnte mir etwas, was ich mir schon immer gewünscht hatte, und das erst mal ohne Wissen von Frieda oder K. - ich stellte sie vor vollendete Tatsachen: Ich nahm Reitunterricht. Darauf hatte mich eine frühere Kollegin beim Chirurgen gebracht, die das auch machte. Das Gezeter zu Hause war groß, denn vor allem war ja nach ihrer Ansicht Reiten nur etwas für reiche Leute. Aber ich ließ mich nicht beirren. Ein kleines Mädchen aus einem Weinort nahe Bad Kreuznach ist mir gut in Erinnerung geblieben von diesen Reitstunden (ihre Mutter fragte immer höflich, ob sie mir beim Reiten zusehen dürften), Jahre später traf ich sie wieder - da war sie Assistenzärztin in dem Krankenhaus, in dem ich arbeitete.


Noch eine Begebenheit werde ich nie vergessen: Ein einziges Mal kam mein Mann zum Zuschauen während meines Reitunterrichts - und er schwirrte wütend wieder ab, weil ich nicht vom Pferd sprang und ihn begrüßte ... oder so ähnlich. Jedenfalls beschwerte er sich erst mal bei Frieda und dann bei mir, als ich nach Hause kam, mit der Bemerkung, ich hätte ihn so “von oben herab” angesehen. Wie auch sonst?! ☺


Schlimm war auch ein Klassentreffen in Sobernheim, wo er mich hingefahren hatte. Ich weiß nicht, ob das noch 1963 oder schon 1964 war. Jedenfalls hatte ich - eigentlich - einen schönen Abend im Kreise meiner früheren Schulkameraden - bis K. kam, um mich abzuholen. Er trank noch etwas. Musik spielte, und ein Schulkamerad forderte mich zum Tanzen auf - ohne meinen Mann zu fragen. Da war was los! Auch noch nach meiner heutigen Sicht hatte er da ja eigentlich gar nichts verloren. Keine andere Frau hatte da einen Aufpasser. Schön, dass er mich abholen wollte; aber er sollte mir doch meinen Spaß lassen! Ich musste ihm ja auch seinen lassen. Aber vielleicht hatte er an diesem Abend keinen gehabt?!


Als K. mal wieder auf Lehrgang war, besuchten mich am Abend eine Kollegin und ihr Freund; wir saßen in meiner Küche und quatschten, als Frieda herein gerauscht kam und die Beiden bat, zu gehen. Ich hatte nicht ihr Einverständnis für diesen Besuch eingeholt, und auch nicht das meines Mannes. Und einfach so mal jemanden einladen, das ging dann doch entschieden zu weit!, meinte sie. Wir alle fanden dieses Gehabe ... schon sehr. Aber um mir nicht noch mehr Ärger zu machen, gingen die Beiden.


Seltsamerweise war Frieda damit einverstanden, als ich mich mit einer neuen Kollegin befreundete, verheiratet, aus Bad Kreuznach. Die durfte ich  besuchen, dort durfte ich auch schon mal über Nacht bleiben. Und Frieda kümmerte sich dann gerne um meinen Sohn.


Diese Kollegin und ihr Mann waren auch einige Male bei uns in Steinhardt zu Gast - und mein Mann und ich bei ihnen.


Sie waren die Einzigen, die wussten, dass ich eine außereheliche Beziehung zu einem der Reitlehrer hatte, und dass ich am liebsten weg gelaufen wäre. Dachte ich jedenfalls.


An Heiligabend 1965 musste K. angeblich noch mal dringend weg, weil er etwas vergessen hatte. Er blieb verschwunden bis Anfang 1966. Niemand wusste, wo er hin war, auch Frieda nicht. Aber nach ihrer Ansicht war ich - wieder einmal - daran schuld.


An Silvester sass ich zusammen mit meinem Vater, und wir tranken uns zusammen einen kleinen Rausch an. Als ich dann zu Bett gegangen war, kam er noch mal zu mir und versicherte mir, dass er meinen Mann aus dem Haus werfen würde, wenn er wieder auftauchen würde.


Und er tauchte wieder auf. Und Frieda bestand auf einer Art Familienrat. Wie üblich wies sie mich darauf hin, was sie alles für mich getan hätte, und wie viel Geld das alles gekostet hätte. Worauf ich ihr zum ersten Mal entgegnete, dass sie aber nie Zeit und Liebe für mich gehabt hätte. Aber das konnte oder wollte sie offenbar nicht verstehen. Jedenfalls sollte ein letzter Versuch gemacht werden, unsere Ehe zu retten.


Nur - eigentlich wollten wir Beteiligten das ja wohl Beide nicht mehr.


Zumal dann, als ich wieder zur Arbeit ging, meine Arbeitskollegin und angebliche Freundin nicht mehr auftauchte, und ich von meinem Chef und den Kollegen erfuhr, dass mein Mann während der Zeit, als er verschwunden war, zusammen mit ihr und ihrem Mann in Bad Kreuznach gesehen worden war.


Trotzdem lief alles erst mal weiter wie vorher. Bis zum Frühjahr 1966. K. war mit einem Arbeitskollegen und meinem Bruder zu Fuß unterwegs. Irgendwann muss er angefangen haben, meinen Bruder wüst zu beschimpfen. Das konnte ja dann auch Frieda nicht mehr einfach so hinnehmen, und mir konnte sie das auch nicht in die Schuhe schieben.


Ihre Tochter zu betrügen, zu beschimpfen und zu verprügeln, das ging ja noch an. Aber ihren Augapfel, ihren Sohn, ihr Ein und Alles, den Sinn ihres Lebens, genauso zu behandeln, das war dann doch zu viel!

Dass K. auch noch versuchte, seinen Sohn zu schlagen, machte das Maß voll! Er musste ausziehen. Damit hatte er es sich nun endgültig mit Frieda verdorben.


Mein Chef empfahl mir einen Rechtsanwalt, und ich reichte die Scheidung ein.


Frieda setzte sich fairerweise mit ihren Ko-Großeltern in Verbindung und bot ihnen an, dass diese trotz der Scheidung weiterhin Kontakt zu ihrem Enkel haben könnten, aber meine Noch-Schwiegermutter lehnte dies ab. Das käme nur in Frage, wenn ich die Scheidungsklage zurückziehen würde. Aber daran dachte niemand mehr, noch nicht einmal mehr Frieda. Jetzt hieß es nur noch: “Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.”


Ab Herbst 1966 trat ich des besseren Verdienstes wegen eine Stelle beim Straßenneubauamt in Bad Kreuznach an. Lange Jahre war ich die “Lieblings-Sekretärin” des Personalleiters, Herrn H., weil ich, wie er sagte, eine wunderschöne Steno-Schrift hatte. Seine Ehefrau war Lehrerin für Schreibmaschine und Stenografie, daher kannte er sich mit solchen Dingen aus. Ich sehe ihn heute noch deutlich vor mir. Bei seiner Frau machte ich später (zum Zwecke der Gehalts-Einstufung) eine Schreibmaschinen-Prüfung, auf die ich bis heute stolz bin: Auf einer dieser alten schwarzen Klapperkisten erreichte ich 410 Anschläge/Minute. Das schaffte sonst keine in meiner Dienststelle! Und ich auch nie mehr.


Aber - ich schweife schon wieder ab!


Es war an einem frühen Morgen 1966. Als ich in die Küche kam, stand meine Großmutter am Spülbecken, das sie, so wie sie es gewohnt war, auch als Waschbecken benutzte. In diesem Augenblick, als ich hereinkam, brach sie zusammen. Ich versuchte, sie zu stützen, zu halten, und rief um Hilfe. Meine Eltern kamen und brachten sie in ihr Schlafzimmer im Obergeschoss. Ich musste zur Arbeit.


Ein  Arzt  diagnostizierte  einen  Schlaganfall  - und meine Großmutter, damals schon 83 Jahre alt, war bis zu ihrem Tod am 27.01.1970 bettlägerig.

Und sie, die früher ein äußerst sparsames und diszipliniertes Leben geführt hatte, so gut wie keinen Alkohol trank und des Abends lediglich eine Scheibe Brot mit Butter und einen Apfel (oder anderes Obst) gegessen hatte, verfiel sozusagen dem Alkohol: Sie nahm mit Vorliebe Eierwein zu sich. Aber was sollte es! Ein abstinentes Leben hätte sie auch nicht mehr gesund gemacht, das sah wohl auch der Arzt ein.









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