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Dreimal England


Wie schon erzählt, hatten wir 1970 in einem Lokal in Rüdesheim die englische Familie Simpson kennen gelernt. Die Eltern Pamela und William, und die Kinder Neil und Karen. Wir hatten sie eingeladen zu H.s Eltern, und wir hatten dort einen netten Abend verbracht trotz der Sprachbarrieren, denn nur ich sprach leidlich Englisch.


Es entwickelte sich ein reger Briefwechsel, und wir wurden eingeladen, sie zu besuchen. Zuerst wohnten sie in einem Haus in Hitchin, später zogen sie um nach Letchworth, ganz in der Nähe. Beide Orte liegen in Hertforshire.


Insgesamt besuchten wir sie dreimal, und einmal waren sie bei uns in Bad Kreuznach. Und immer, wenn wir zu ihnen fuhren, war es abenteuerlich.


Der erste Besuch war (wohl 1971) in der Pfingstzeit, einer für deutsche Arbeitnehmer äußerst günstigen Urlaubstage-Zeit, und eigentlich wollten wir so ca. 10 - 14 Tage bleiben, und da rechneten sich auch die höheren Kosten für einen Flug. Aber: Bill teilte uns mit, dass sie selbst auch verreisen wollten, und so konnten wir nur 5 Tage bleiben. Deshalb warfen wir unsere Urlaubsplanung über den Haufen und buchten eine Zugfahrt. Das hieß damals: Eisenbahn nach Ostende, Fähre nach Dover, Eisenbahn nach London, Victoria-Station.


Wir schrieben einen Brief nach England mit den genauen Daten unserer Reise, vertrauten auf die englische Post und fuhren los.


Aber: Die englische (oder großbritische?) Post streikte, die Familie Simpson erhielt unseren Brief nicht. Und sie warteten am Flughafen Heathrow auf uns - und wir auf sie in London, Victoria-Station. Damals gab es auch noch kein Mobilphone, mit dem man alles ganz einfach hätte aufklären können.


Aber wir vertrauten  darauf, dass sie wieder nach Hause fahren würden, von dort hatten wir ja die Telefonnummer; und wir erkundigten uns nach einer Bahnverbindung nach Hitchin.

Zuerst mussten wir von Victoria-Station nach Kingscross-Station - ganz einfach mit der U-Bahn. Und dann eben mit dem Zug nach Hitchin. Dort am Bahnhof riefen wir Pam und Bill an, die einen Schrei der Freude ausstießen, und sie holten uns am Bahnhof ab.


Obwohl uns Kollegen und Freunde vor dem angeblich so schlechten Wetter in London gewarnt hatten (“Was wollt ihr denn da? Dort ist es doch immer neblig.), war das Wetter einfach nur herrlich, und ganz ohne Regen oder Nebel.


Unser zweiter Besuch in England 1974 kurz nach dem Tod meines Vaters  brachte ein neues Abenteuer.


Dieses Mal flogen wir - gegen Abend - mit irgendeiner kleinen Billig-Fluglinie. Das Flugzeug, in das wir einstiegen, machte auf mich keinen sehr vertrauenswürdigen Eindruck. Aber gut! Da alle anderen das nicht monierten, folgten wir ihnen. Und es ging ja auch alles gut.


Wir hatten diesen Flug im Reisebüro gebucht, und dann die voraussichtliche Ankunftszeit Pam und Bill mitgeteilt.


Und Pam und Bill fuhren nach Heathrow und warteten auf uns, während wir in Gatwick landeten und auf die Beiden warteten. Sch...


Kein Mensch hatte uns gesagt, dass London zwei Flughäfen hat! Auch die beiden Ortskundigen hatten nicht noch mal bei uns nachgefragt. Und, wie schon erwähnt: Es gab noch kein Mobiltelefon.


Wir riefen also wieder bei ihnen zu Hause an. Ich weiß nicht mehr, ob wir schon früh am Abend mit einem der Kinder sprachen oder dann erst mit Pam oder Bill, als sie wieder zu Hause waren. Aber wir verbrachten eine sehr ungemütliche  Nacht im Flughafen Gatwick und machten uns am nächsten Morgen mit der ersten U-Bahn auf den Weg nach London-Kingscross und von da nach Letchworth.


Dort am Bahnhof gingen wir zur Telefonzelle. Eine etwas aufgeregt wirkende Frau kam uns entgegen - mit zwei Hunden an der Leine. Sie drückte uns die Hundeleinen samt Hunden in die Hand und ging zum Telefonieren.


In diesem Augenblick kam Bill in seinem Auto an. Sicher könnt Ihr Euch sein Gesicht vorstellen, dem sämtliche Züge entgleisten, als er uns mit den Hunden sah.  Sicher kam ihm auch die Frage in den Sinn, was denn ihre eigene Hündin zu dem unerwarteten Zuwachs sagen würde. Aber wir konnten ihn ja sehr schnell beruhigen - und die Dame nahm ihre Hunde wieder in Empfang.


Während dieses Besuchs hatten wir eine unangenehme Begegnung in der U-Bahn: Taschendiebe. Doch in unserem bzw. meinem Fall waren es dann betrogene Betrüger:

Wenn wir im Ausland waren, hatte immer nur mein Mann Geld bei sich. In meiner Geldbörse in meiner Handtasche befanden sich nur einige deutsche! Münzen, vielleicht max. 2 DM. Und die waren für die englischen Taschendiebe wertlos. Reingefallen!


Wir wohnten immer bei unseren Freunden, die uns ihr Schlafzimmer abtraten und selber auf Luftmatratzen schliefen. Morgens weckte uns Bill per Haustelefon, danach brachte er uns Tee ans Bett. Anschließend machte er Frühstück, brachte uns zum Bahnhof. Wir fuhren mit dem Zug nach London, abends wieder zurück, riefen an, dass wir angekommen sind, und Bill holte uns am Bahnhof ab.


Und dann der dritte Besuch in England, der am spektakulärsten war.


Wir hatten, klar doch, im Schützenhaus erzählt, dass wir nach England fahren würden, und gefragt, ob denn nicht jemand mitfahren wolle. Leichtsinnig! Und ein  Ehepaar, beide nicht so ganz helle im Kopf, wollten mit. Nun konnten wir ja nicht Nein sagen. Aber da wir dieses Mal mit dem Auto auf die große Insel wollten, wäre es auch ganz praktisch gewesen, noch einen dritten Autofahrer dabei zu haben (sie, denn er konnte kein Auto fahren).

Aber - einige Zeit vor Beginn der Reise brach sie sich einen Fuß (?), ein Bein (?); jedenfalls hatte sie ein Gipsbein, und damit konnte sie natürlich nicht Autofahren.

Wir buchten in Mainz beim ADAC die Hovercraft-Fähre von Calais nach Dover (und zurück), die es mittlerweile nicht mehr gibt, wie mir Wikipedia erzählt hat. Ein Heidenspaß!


Wir fuhren am späten Abend los, und schon die Autofahrt gestaltete sich etwas schwierig. Die beiden hatten gemeint, ihr Mini-Kombi von Isuzu, einem japanischen Autobauer, hätte mehr Stauraum als unser Opel-Ascona. Aber weit gefehlt! Und die Straßenlage und Höchstgeschwindigkeit ihres Autos waren erbärmlich; wir hatten in jeder Kurve Angst, dass das Fahrzeug umkippen würde.

Wie dem auch sei - wir kamen zum Glück heil in Calais und auch in Dover an.

Wir suchten uns ein B&B und fanden einen Bauernhof, etwas abgelegen, und herrlich altmodisch. Am Abend fuhren wir in den nächsten Ort zum Pub. Mein Mann und ich, wir tranken Bier, Manfred wollte einen Whisky, und dann noch einen. Und dann schlief er fast ein. Wir hielten das für einen kleinen Rausch, denn nach der Nacht ohne Schlaf, dann auch noch den ganzen Tag unterwegs, da kann so etwas ja schon mal vorkommen. Obwohl er nie ein Abstinenzler war und eigentlich so zwei Whisky hätte vertragen müssen.


Wir fuhren also wieder zu unserem Domizil, und wir mussten Manfred fast in sein Zimmer tragen! Im Aufenthaltsraum am Kamin saßen Hausherr und Hausherrin mit Gästen und starrten uns ganz unbritisch an. Und wir schämten uns für M.


Am nächsten Morgen klärte sich das Ganze auf. Beim Frühstück sagte M. zu seiner Frau: “Sag mal, die Diabetes-Tabletten sind aber ganz andere als vorher! Die sind ja nun hellblau, früher waren sie weiß.”

So stellte sich heraus, dass er statt seiner Diabetes-Pillen ihre Schlaftabletten genommen hatte, und zwar in einer Dosis, dass es einen Stier umgehauen hätte!


Er schlief während des ganzen Tages immer wieder ein, aber wir wussten ja nun, warum.


In einem Fish-and-Chips-Lokal, dessen Wirt in Deutschland Soldat gewesen war, ließ er zu allem Unglück auch noch seine neu erworbene Filmkamera stehen. Deshalb mussten wir auf der Rückfahrt noch mal in diesen Ort; er bekam sie zum Glück wieder.


In Guildford war es, wo uns im Hotel James, der Butler von Miss Sophie begegnete. Er hatte uns noch am Abend, als wir aus dem Pub zurück kamen, an der Hotelbar einen “Absacker” serviert; und dann war er selbst wohl versackt.

Jedenfalls ging es ihm am nächsten Morgen noch nicht wieder sehr gut; und seine Frau schaute recht grimmig. Er vollführte die gleichen Bewegungen beim Eingießen des Tees wie James: Schon 5 m (oder so) vor unserem Tisch, begann er, auf die Tassen zu zielen. Irgendwann konnte seine Frau dem nicht mehr zuschauen und übernahm diese Tätigkeit selbst.


Dass Manfred in der ersten Zeit des Abends zu kräftig dem Alkohol zusprach, und irgendwann kein Geld mehr hatte, und wir ihm welches leihen mussten, ist schon fast nicht mehr erwähnenswert.


Wir verbrachten auf dem schon erwähnten Bauernhof nochmal auf der Rückfahrt eine Nacht, und hatten auch ein Dinner gebucht, das es nur auf Vorbestellung gab. Na ja, Manfred war, wie gesagt, nicht der Hellste, und seine Tischmanieren ... Schwamm drüber!





1974 - 1975


Wie schon mehrfach gesagt, verstarb mein Vater am 14. Mai 1974, kurz vor seinem 63. Geburtstag, infolge seines dritten Herzinfarktes und unterlassener Hilfeleistung von Frieda, wie wir erst viel später erfuhren.

Im Krematorium Mainz fand eine Trauerfeier statt. Der engagierte Trauerredner sprach sehr schön, obwohl er erst kurz davor ein paar Einzelheiten aus meines Vaters Leben erfahren hatte. Viele Verwandte waren anwesend, ebenso viele Bürger Steinhardts, die einen Bus gemietet hatten, um zum Krematorium zu kommen. Anschließend fand ein Leichenschmaus, d. h. ein gemeinsames Kaffeetrinken, statt, der sich aber wie meist in solchen Fällen zu einem lustigen Treffen mit einigem an alkoholischen Getränken entwickelte.


Zum Glück hatten wir schon unsere zweite Reise nach England gebucht, und ich wechselte zum 1. Juli meinen Arbeitsplatz: von einer Abteilungssekretärin zur Geschäftsleitungssekretärin einer Tochterfirma, auch in Bad Kreuznach.

Warum zum Glück? Im Weinlabor waren ein paar sehr konservative Damen tätig, die es nicht verstanden hätten, wenn ich nicht mindestens ein ganzes Jahr in Tiefschwarz gekleidet gewesen wäre. Herbert legte auf solche Äußerlichkeiten nicht im mindestens Wert, und auch ich bin der Meinung, dass Trauer sich nicht in der Kleidung manifestiert.


Nun fuhren wir fast jedes Wochenende zu Frieda nach Steinhardt, damit sie nicht alleine war. Manchmal unternahmen wir irgendetwas und fuhren mit ihr irgend wohin, manchmal blieben wir aber auch zu Hause. Ganz nach Lust und Laune - und Wetter.

Außerdem boten wir ihr an, nicht nur Heiko, sondern auch sie mitzunehmen auf unsere Reise nach Südfrankreich. Ich weiß nicht, ob sie sehr begeistert davon war, ins Land der “Erbfeinde” zu fahren. Allerdings wäre die andere Alternative gewesen, dass wir ihr Herzblatt Heiko “entführt”  hätten, und dass sie ganz alleine in dem großen Haus von über 200 qm gewesen wäre. Damals hatte sie noch keine Mieter im Obergeschoss.

Da wir wie all die Jahre zum Campingplatz “Kon Tiki” wollten, mieteten wir dort für die geplante Zeit für sie und Heiko einen Wohnwagen. Immer wieder schärften wir ihr ein, dass sie nichts, gar nichts, an Lebensmitteln mitnehmen müsse/solle, denn alles könne sie dort auf dem Campingplatz kaufen.


Als wir am Morgen unserer Abreise in Steinhardt ankamen, traf uns fast der Schlag. Frieda hatte mehr Gepäck als wir mit unserem richtig großen Zelt. Nicht nur das nötige Bettzeug und ihre Kleidung kamen da zum Vorschein, sondern auch Kaffee, Gläser mit Würstchen, Tütchensuppen, eine Salami von Aldi usw. Wir hatten Mühe, alles im Auto unterzubringen. Letztendlich sassen Frieda und Heiko dann auf den Rücksitzen inmitten von Bettdecken und Kopfkissen und anderem Gedöns.

Unsere Kleidung bestand aus jeweils einer Jeans und einem Shirt zum Wechseln, einer Badehose bzw. einem Bikini - und alles für H. und mich hatte in unserer Kühlbox Platz.

Einiges musste Frieda doch zu Hause lassen, weil unser Auto kein Lkw sondern nur ein Opel Rekord war, den wir von H.s Vater bekommen hatten, als der sich ein neues Fahrzeug kaufte. Denn unser Käfer war in die Jahre gekommen und hatte gekränkelt.

Frieda rührte keinen Finger, sass im Auto wie die Queen persönlich, mit einem Gesichtsausdruck, der sagte: “Ihr wolltet, dass ich diese Strapazen auf mich nehme, also sorgt dafür, dass ich es bequem habe, und dass wir bald ankommen”.


Zu allem Unglück passierte natürlich ein solches: Der Anlasser streikte. Auch die von mir bei einem ADAC-Pannenkurs erlernten Hilfsmethoden fruchteten nicht. Also mussten wir bei jedem Stopp entweder den Motor laufen lassen, was bei Pinkelpausen durchaus möglich war, da immer jemand beim Wagen bleiben konnte, jedoch beim Tanken unmöglich, denn dafür muss man den Motor ausschalten.

Und anschließend mussten wir unser Auto anschieben - mit Frieda auf dem Rücksitz, denn sie weigerte sich, ausnahmsweise auszusteigen, um uns so ca. 90 kg Gewicht beim Schieben zu ersparen.


So gelangten wir nach Beaune. Das nächste Unglück geschah: Angeblich hatte das Hotel unser Fernschreiben, mit dem ich von der Firma aus Zimmer gebucht hatte, nicht erhalten. Also mussten wir uns auf Zimmersuche begeben. Wir hatten Glück und fanden eine Unterkunft, mussten aber leider alle gemeinsam in einem Zimmer schlafen.

Zuerst machten wir einen kleinen Stadtbummel und gingen in ein Bistro, das H. und ich schon kannten. Für den kleinen Hunger aßen wir ein Omelett. Dort kam es zu dem schon im Kapitel “Frieda, meine Gebärerin” erwähnten Dialog.


Dieses Mal gingen wir zum Abendessen nicht in unser gewohntes Restaurant, denn das Hotel, in dem wir freundlicherweise noch das Zimmer bekommen hatten, betrieb ein Restaurant etwas außerhalb in den Weinbergen, und lud seine Gäste dorthin ein; Weinprobe inklusive, die zwischen Bestellung und Servieren des Essens stattfand.


Wir hatten mit dem Hotel vereinbart, dass wir am nächsten Tag sehr früh (und ohne Frühstück) aufbrechen würden. Es war das gleiche Spiel wie am Tag zuvor: Nach jedem Tanken setzte ich mich ans Steuerrad und mein Mann schob mit geringer Hilfe meines 10jährigen Sohnes den Wagen an, was sich manchmal recht schwierig gestaltete, vor allem wenn es leicht bergauf ging. Und die Leute schauten ganz erstaunt und ungläubig, da sie sicher noch nie gesehen hatten, dass in so einer Situation eine Person im Auto sitzen blieb.


Na gut - oder schlecht! Wir erreichten unser Ziel! Wir verfrachteten Frieda erst mal in ihren gemieteten Wohnwagen, zeigten ihr alles, was sie fürs erste brauchte - und bauten dann auf dem uns zugewiesenen Platz unser Zelt auf.

Frieda musste sich natürlich vergewissern, dass wir ihr auch alles richtig erklärt hatten, und fragte einen deutschen Nachbar-Camper nach der Handhabung ihres Caravans.

Dann gingen wir gemeinsam in den kleinen Supermarkt des Campingplatzes, der alles Nötige fürs tägliche Leben bot - auch Stangeneis für die Kühlbox. Frieda bekam den ersten Schock: All die Sachen, die sie zu Hause gekauft und mitgenommen hatte, gab es dort auch, so wie wir ihr das prophezeit hatten. Und nicht nur das: Diese Sachen waren dort auch noch  preiswerter als in Steinhardt oder Sobernheim! Also das ging nun doch entschieden zu weit! Diese Reise war der reinste Horror für sie!


H. und ich gingen sicher an diesem Abend noch in die Kneipe auf ein Bier oder zwei. All den Frust hinunter spülen.


Der Tagesablauf gestaltete sich immer gleich: Frühstück - Einkaufen - Strand - Mittagessen - nachmittags im Schatten sitzen oder nach St. Tropez fahren (nachdem unser Auto wieder in Ordnung war) - Abendessen - abends noch etwas trinken. Frieda blieb die meiste Zeit bei ihrem Wohnwagen; aber  pünktlich um 12 Uhr und um 18 Uhr erschien sie bei unserem Zelt und wartete aufs Essen. Und nicht einmal hat sie bei der Zubereitung geholfen. Wie gesagt: “Ihr wolltet mich in Feindesland mitnehmen, also seht auch zu, wie ihr zurecht kommt!” Da kommt Freude auf!


Mein Frust über diese Situation führte zu einem drastischen Schritt, um Frieda (mal wieder) zu provozieren: Ich ging “oben ohne”. Zumindest immer dann, wenn sie in der Nähe war. Ansonsten ging ich mit dieser Kleider(un)ordnung sehr vorsichtig um, denn zum einen habe ich sowieso als rotblonde Menschin sehr empfindliche Haut, zum anderen ist die Haut an diesen normalerweise verhüllten Stellen besonders sensibel.


Wir setzten uns mit dem ADAC in Verbindung, der uns an eine Kfz.-Werkstatt in Ramatuelle verwies. Wir fuhren einmal dort hin, der junge Mann schaute sich unser Auto an, musste Ersatzteile bestellen, gab uns einen Termin so ungefähr eine Woche später. Wir fuhren wieder dort hin, verbrachten einen ganzen Tag im Ort - sehr mühselig! Denn außer zwei, drei Gassen, einem Platz mit einem Baum in der Mitte, um den rundherum eine Bank ging, gab es wirklich nichts. Also ab und zu Bank, ab und zu Kneipe. Nach dem Mittagessen spazierten wir nach etwas außerhalb des Ortes und legten uns ins Gebüsch. Aber bei meiner Kleintier-Phobie ist so etwas nicht der geeignete Ruheplatz.

Doch letztendlich schlugen wir die Zeit tot, und am Abend hatten wir wieder ein funktionierendes Kraftfahrzeug.


Nun konnten wir uns endlich wieder bewegen, und wir machten eine Fahrt nach Monaco / Monte Carlo, wo ich immer wenn wir dort Urlaub machten, im Spielcasino mein Glück versuchte - mit einem kleinen Betrag, den wir unbedingt verschmerzen konnten. Dieses Mal, trotz des ständigen “Du wirst doch nicht nochmal!?” und “Lass das doch endlich sein!” und ähnlicher Ausrufe, gewann ich richtig! Ich hatte mit zwei kleinen Chips angefangen, hatte mit Noir/Rouge- und Pair/Impair-Setzen ein paar dazu gewonnen und setzte nun meine Anfangs-Chips auf meinen Geburtstag - und der kam!!! Das hatte sich gelohnt. Frieda registrierte nur, dass ich endlich aufhörte zu spielen, aber nicht meinen Gewinn.


Wir aßen eine Kleinigkeit in einem Café gleich beim Casino, wo Frieda sich dazu verstieg, die Serviette einzustecken als Beweis, dass sie dort gewesen war, gingen dann wieder zu unserem Auto und fuhren zurück nach St. Tropez.


Natürlich waren wir auch einige Male in St. Tropez im “Gorille”, wo es das meines Erachtens beste “Steak Tatar” der Welt gibt. Wobei der “Salade Nicoise” dort  auch nicht zu verachten ist.


Jedoch mit einer immer nörgelnden, schlecht gelaunten Frieda im Schlepptau machte das alles nicht so richtig Spaß. Auch ein aufkommender Sturm, der uns eine ganze Nacht lang wach hielt, weil wir Angst hatten, unser Zelt würde zusammenbrechen, und das wir deshalb mit Stangen von Schilf verstärkten, und außerdem ständig kontrollierten, trug nicht zu unserer Erheiterung bei.


Irgendwie waren wir froh, als wir wieder nach Hause fahren konnten. Und wir machten das, was wir sonst nie machten: Heimfahrt in einem Rutsch. Die Strecke kannten wir ja; es war fast nur Autobahn. Frieda bekam den Beifahrersitz, Heiko sass hinten; jeweils eine/r von uns fuhr, der/die andere legte sich hinten zum Schlafen hin, Heiko nahm nicht sooo viel Platz ein, das  ging. Nach ca. 15 Stunden waren wir in Steinhardt, lieferten die Beiden ab und fuhren in unser gemütliches, ruhiges Zuhause in Bad Kreuznach.


Und wir schworen uns: Einmal und nie wieder! Nie wieder verreisen mit Frieda!!!


Ich hatte meine neue Arbeitsstelle - ganz ungewöhnlich - mit Urlaub angetreten. Aber da mein neuer Arbeitgeber eine Tochterfirma des alten war, und ich von dort auch noch Urlaubsanspruch mitbrachte, durchaus vertretbar. Mein neuer direkter Vorgesetzter, Herr Dr. P., war gar nicht so unzufrieden mit meinem Anliegen gewesen; hatte er selbst doch auch in dieser Zeit Urlaub. Er hatte Familie, Ehefrau und zwei Töchter, die noch zur Schule gingen; die eine studierte später Musik in Mainz.


Vor meinem offiziellen Arbeitsbeginn war ich schon einige Nachmittage in meiner neuen Firma tätig gewesen, da der Jahresbericht für den Aufsichtsrat erstellt werden musste, d. h.: seitenweise Zahlen, Zahlen, Zahlen ... Der Leiter der Finanzbuchhaltung, Herr K., sagte mir, dass sie deshalb mich aus den Bewerberinnen für diesen Posten ausgewählt hätten, weil ich sogar Zahlen blind (und richtig) schreiben konnte. Diese Fähigkeit ist sogar in Zeiten von PC usw. noch wertvoll und u. U. förderlich.


Unser morgendliches Ritual hatte sich also nun dahingehend geändert, dass ich erst meinen Mann zur Arbeit brachte und dann zu meiner Arbeitsstelle fuhr. Da gab es auch bessere Parkmöglichkeiten. Abends ging mein Mann ein Stück zu Fuß; ich nahm ihn ab der Firma Schneider-Optik mit nach Hause. Manchmal gingen wir noch auf einen Wein oder ein Bier in eines der Gasthäuser, die sich in der Nähe befanden.


Ich hatte mich bald an meinem neuen Arbeitsplatz eingelebt. Ich teilte ein Büro mit einer Kollegin, Sekretärin des Verkaufsleiters. Schon wieder eine schwangere Kollegin! Ich hatte erst im Weinlabor mit einer solchen Kollegin, die ihre Schwangerschaft weidlich für Fehlzeiten ausnutzte, arbeiten müssen. Komisch, da doch Schwangerschaft keine Krankheit ist, sondern eigentlich ein für Frauen “gottgegebener” Zustand!

Jedenfalls nutzte auch meine neue Kollegin ihre besonderen Umstände nach Herzen aus. Bei jedem Ziepen, bei Rückenschmerzen, bei Kopfschmerzen, bei also jedem kleinsten Zipperlein ging sie nach Hause und blieb dann die erlaubten drei Tage der Arbeit fern, und keiner konnte ihr was, denn sie stand ja unter dem besonderen Schutz des Arbeitsrechts.

Aber ansonsten war sie eine angenehme Kollegin, und wir hatten viel Spaß  damit, während arbeitsarmer Stunden für die bevorstehenden Weihnachtstage Geschenke zu stricken, zu häkeln. Während dieser Zeit häkelte ich für Heiko aus stabilem Garn Fünfecke in den Farben Gelb, Orange und Braun, um sie dann zu einem großen Ball zusammen zu fügen, der mit Schaumstoff gefüllt wurde, und den er viele Jahre als Sitzball benutzte.

Herr K., der Finanzbuchhaltungschef, fand diese kreative und sinnvolle “Nebenbeschäftigung” jedenfalls besser als Zeitung lesen, wie er kund tat.


Einziger Wermutstropfen war Herr E., ein älterer Mann, der als Bürobote, Faktotum, angestellt - und mir unterstellt war. Herr E. hatte früher ein Milch-geschäft geführt, war aber in Konkurs gegangen. Kein Wunder, denke ich. Er hatte manchmal sehr abstruse Gedanken und war die Umständlichkeit in Person. Wenn ich ihn z. B. zum Einkaufen schickte, und er sollte Kaffee, Zucker und Kaffeesahne besorgen, dann kaufte er diese Dinge in drei verschiedenen Geschäften. Seine Begründung: Man sollte jedem etwas zu verdienen geben. Im Prinzip hatte er damit ja nicht unrecht. Nur hätte er auch das eine Mal in dem einen Geschäft, das nächste Mal im anderen ... usw. alles einkaufen können; das hätte das gleiche Ergebnis erbracht. Aber meine Vorhaltungen erzielten nur ständig wieder in die gleiche Antwort: “Ich bin älter als Sie, also weiß ich das auch besser.” Und als Clou des Ganzen kam der Spruch: “Schließlich hatte ich viele Jahre lang ein eigenes Geschäft.” Dass er damit Konkurs gemacht hatte, daran dachte er nicht mehr; und ich musste mir immer selbst in Gedanken den Mund zuhalten, um es nicht zu sagen.


Der absolute Renner war die folgende Begebenheit:

Ich hatte in einem Blumengeschäft einen Blumenstrauß bestellt, für ein Mitarbeiter-Jubiläum. Herr E. sollte die Blumen abholen. Ich schrieb ihm auf, in welchem Blumenladen das war, Adresse usw. Und er versicherte, dass er alles verstanden habe. Er fuhr los in die Stadt - und kam laut schimpfend wieder. Schimpfend über die Unfähigkeit der heutigen Geschäftsleute. Letztendlich stellte sich heraus, dass er in ein ganz anderes Blumengeschäft gegangen war als das, was ich ihm benannt hatte. Natürlich wussten die von nichts, konnten gar nichts davon wissen. Aber Herr E. in seiner Unfehlbarkeit ...


Einige Male war es schon fast zu seiner Entlassung gekommen, doch der Betriebsrat hatte immer wieder auf sein Alter, seine Situation hingewiesen, und die Geschäftsleitung hatte ihn behalten.


Einmal brachte er mir Blumen zu meinem Geburtstag; ich war total erstaunt. Zu seinem Glückwunsch fügte er hinzu: “Sie werden sich sicher wundern, dass ich Ihnen gratuliere, aber ich verknüpfe damit die Hoffnung, dass sie mit dem neuen Lebensjahr auch an Einsicht in die Richtigkeit meiner  Handlungsweise gewinnen.” Natürlich hat er sich nicht so gepflegt ausgedrückt wie ich jetzt hier.


 

Dann fing er an, sich über die Angestellten in der Werkstatt zu beschweren; sie würden ihm immer wieder  aus Gehässigkeit ihre Werkzeugwagen in den Weg stellen, damit er darüber falle. Und am gehässigsten wäre dieser Betriebsrat.


Wir konnten ihn nun wirklich nicht mehr behalten, ihm wurde gekündigt. Er erhob dagegen Klage beim Arbeitsgericht.

All dies brachte er bei seiner Klage vor. Als der Vorsitzende ihn darauf hinwies, dass doch gerade der Betriebsrat des öfteren schon eine Kündigung verhindert habe, antwortete er: “Das war alles nur Tarnung.”


Und dann fand er in seinem Spind eine alte Farbdose, die er sicher selbst da hin gestellt hatte. Die Dose war nicht ganz dicht verschlossen gewesen, und die Farbe am Rand hatte Blasen gebildet. Er wollte die Polizei anrufen, denn das sei eine Bombe!


So endete das Arbeitsleben des Herrn E. - nicht durch eine Bombe, sondern mit der Entlassung.







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