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Scheinheiligkeit


Der größte Fall von Scheinheiligkeit ist mir bei einer Kollegin des St. Franziska-Stiftes in Bad Kreuznach unter gekommen. In diesem katholischen Haus. Klar doch, wo sonst?!


Sie lebte seit vielen Jahren mit einem verheirateten Mann zusammen, dessen Frau aus psychischen Gründen in einem Pflegeheim untergebracht war. Der Ehemann ließ sich nicht scheiden, weil das gegen die Regeln der katholischen Kirche gewesen wäre. Und weil er dann seine “Neue” nicht mit dem Segen derselben hätte heiraten können.


Also warteten die Beiden auf den Tod dieser Frau. Das ist schon mal sehr, sehr christlich.


Als diese Noch-Ehefrau (endlich) verstorben war, heirateten die Beiden mit großem Aufwand irgendwo außerhalb in einer ganz besonders heiligen Kirche, und wurden von einem ganz besonderen Priester getraut.


Wenn das mal nicht scheinheilig ist?! Was dann?!





Das Ende


Es war am Muttertag des Jahres 1985. Mein Bruder und seine Frau waren in Steinhardt zu Besuch und hatten angefragt, ob wir zum Mittagessen und Plauschen und Kaffeetrinken (oder so) kommen könnten / wollten. Wir wollten.


Da es Muttertag war, und das sich dann so gehört, hatte ich mich morgens früh bei einem Blumenladen angestellt und ein paar Blümchen für Frieda besorgt. Man sollte mir ja nichts nachsagen können!


Wir fuhren also nach Steinhardt. Es war ein wunderschöner, sonniger Tag. Alle standen in der Sonne auf der Treppe vor dem Haus.

Ich überreichte Frieda die Blümchen ... und sie legte sie ohne ein Wort des Dankes auf einen Mauerpfosten der Gartenumzäunung. Susanne nahm sie auf, um sie zu versorgen (ansonsten hätten sie bis zu Friedas Tod dort gelegen).


Mein Mann und ich plauderten mit meinem Bruder, die beiden Damen Oehme kümmerten sich ums Mittagessen.


Nach dem Mittagessen schlug Gernot vor, wir könnten doch zum Sobernheimer Flugplätzchen laufen und Rundflüge machen. Gut, das war nicht so ganz in unserem Sinne, aber wir wollten keine Spielverderber sein.


Erst flogen Gernot, Susanne und Heiko, dann wir.


Bis wir wieder gelandet waren, hatte mein Bruder schon wieder ein gutes Quantum Alkohol getrunken; vielleicht hatte er ja auch schon einen “Frühschoppen” hinter sich. Wir tranken dann nur noch ein Bier, und dann gingen wir wieder nach Steinhardt.


Dort verzog sich Gernot in sein Bett; er musste seinen Rausch ausschlafen.

Und Frieda verkündete, dass wir nun nach Hause fahren könnten, die “Veranstaltung sei jetzt zu Ende”.


Ich bat meinen Mann, zu fahren. Die ganze Fahrt über weinte ich bitterlich. Und ich schwor, das Haus meiner Mutter nie mehr zu betreten. Ich wusste, es ging um “Sie oder Ich”. Ich hätte doch mein restliches Leben lang vor ihr und für sie auf und nieder springen können, wie ich wollte, wie ich konnte. Aber ich hätte nie ein kleines bisschen Anerkennung von ihr dafür bekommen.


Wie sagte sie selbst bei meiner ersten Scheidung?: “Lieber ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende!” Genau danach handelte ich nun und schützte mich selbst damit.


Und auch in meiner Ehe bahnte sich eine Entscheidung an.


Nichts lief mehr wie ich es mir gewünscht hätte, immer öfter rief ich eine frühere Arbeitskollegin und mittlerweile liebe Freundin an und klagte ihr mein Leid.

Auch Heiko merkte natürlich, dass es in unserer Ehe nicht zum besten stand, aber er stand auf meiner Seite, obwohl er sich immer recht gut mit meinem Mann verstanden hatte.

Ich traf mich mit Hans-Peter. Wir kannten ihn schon aus der Gaststätte, wo er immer mal mit seiner schönen Boxer-Hündin hin kam. Nun lernte ich ihn besser kennen, und viele Nachtstunden verbrachten wir Tee trinkend in seiner kleinen Wohnung und redeten und redeten. Wann hatte ich das zuletzt mit jemand tun können? Mein Mann war natürlich der Meinung, wir würden die Nächte zusammen im Bett verbringen. Dass jedoch diese vielen Gespräche weit mehr “fremd gehen” waren, als wenn wir eine sexuelle Beziehung gehabt hätten, das hätte er sicher nicht verstanden.


Obwohl mein Mann nun auf einmal ein Gespräch suchte. Auf meine Vorhaltungen wegen der nicht erfolgten Schwangerschaft kam ein ganz unerwartetes Geständnis:

Er hätte nie vorgehabt, Kinder zu zeugen, und mit mir schon gar nicht. Das hätte er nur gesagt, weil er wusste, dass mir daran gelegen wäre, damit ich ihn heirate.

Und er habe auch nie vorgehabt, sich von einem Arzt untersuchen zu lassen, denn wie käme er dazu, so intime Dinge mit einem wildfremden Mann zu bereden?! Das wäre doch wirklich absurd, so etwas von ihm zu verlangen.


Das war dann auch das Ende unserer Ehe. Ich überließ ihm die Entscheidung darüber, wer aus der Wohnung ausziehen würde; das war er. Ich sagte ihm, dass er mitnehmen könne, was er wolle, darauf käme es mir nicht an. Sehr leichtsinnig von mir; denn er nahm auch die neue SR-Kamera-Ausrüstung mit, die ich von meiner Abfindung gekauft hatte, obwohl er das Fotografieren immer mir überlassen hatte.


Er zog erstmal wieder zu seinen Eltern.


Und ich suchte mir eine neue Arbeit. Aber darüber berichte ich dann in der Fortsetzung meiner Geschichte.


Außerdem werde ich berichten über


- meine Tätigkeit in den USA,

- den Tod von H.-P.,

- das Kennenlernen meines dritten Ehemannes, das Leben mit ihm und            seinen Tod,

- die Krankheit und den jämmerlichen Tod meiner Freundin Helga,


und was mir dann sonst noch so einfällt.

 

 






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